Trauma

Der Begriff des Traumas ist uns heute relativ geläufig und wird oft mit den groß-T Trauma: Naturkatastrophen, Unfälle, Gewalterfahrungen, Vergewaltigung, Krieg, große Operationen usw. in Verbindung gebracht. Dabei wissen wir heute, dass nicht nur das Opfer, sondern auch Täter und Zeugen traumatisiert sein können.

Darüberhinaus gibt es aber noch die klein-T Traumata, die oft in der Kindheit geschehen und noch nicht besonders viel ‚Anerkennung‘ gefunden haben. In der Kindheit sind wir besonders schützenswert und bereits regelmäßig nicht gedeckte Bedürfnisse, Mißbrauch (emotional, psychologisch, körperlich oder sexuell), Verlassenwerden oder Vernachlässigung können uns traumatisieren.

In der Diagnostik spricht man von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und ‚komplexen‘ posttraumatischen Belastungsstörungen, die ein wiederholtes Erleben von Traumata beschreiben. Tim Fletcher, ein renomierter kanadischer Traumaforscher, beschreibt, dass eine traumatisierte Kindheit oft zu weiterer Traumatisierung in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter führt. Einfacher ausgedrückt: eine Kindheit mit unsicherer oder nicht vorhandener Bindung an die Eltern (oder Erziehungsberechtigten) führt zu Erwachsenen, die die selben ‚unsicheren‘ Situationen in ihrem Leben reinszenieren.

Was geschieht also in unserer Psyche und in unserem Körper, wenn uns ein Erlebnis traumatisiert?

Eine traumatisierende Erfahrung ist ein Ereignis, dass uns in dem Moment des Geschehens überfordert. Wir können emotional nicht verarbeiten, was geschehen ist und sind auf externe Hilfe angewiesen. Wenn wir in unserer Kindheit das Verarbeiten von schwierigen Erlebnissen nicht erlernt haben, so bleibt das Erlebnis unverarbeitet in unserem emotionalen Teil des Gehirns (dem limbischen System) zurück. Wir versuchen dann oft ähnliche Situationen, die die gleichen Emotionen für uns hervorrufen würden, zu meiden.

Auf natürlichem Wege verarbeiten wir traumatisierende Erlebnisse, indem wir sie mit einer Vertrauensperson besprechen, die sie validiert und uns die ausgelösten Emotionen fühlen lässt. Wenn wir dies in der Kindheit nicht erlebt haben, sondern unsere Gefühle nicht ernst genommen wurden, niemand da war oder wir nicht gelernt haben schlimme Erlebnisse zu verarbeiten und unser Nervensystem wieder zu regulieren, dann bleiben diese Erfahrungen unverarbeitet in Körper und Psyche zurück. In der Psychologie spricht man hier vom Fragmentieren oder Abspalten. Bei diesem Vorgang entstehen drei ‚Anteile‘. Der erste Anteil ist immer das gesunde Selbst. Als zweites bildet sich ein angsterfüllter oder wütender Anteil (IFS: ein Beschützeranteil), der in der Zukunft die Aufgabe übernimmt den dritten Anteil zu beschützen. Der dritte Anteil ist die unverarbeitete Erinnerung, das sogenannte innere Kind, das im Alter des Geschehens zurückbleibt. Die Folge davon ist die Entwickelung negativer Kognitionen: ich bin nicht gut genug, ich bin nicht liebenswert, ich bin schlecht, ich bin schmutzig, ich bin ganz allein usw.

Ein Leben mit komplexer PTSB hat viele ‚ungesunde‘ Charakteristiken oder Symptome. Dazu gehören oft:

  • Stress
  • Süchte (Drogen, Alkohol, Workaholik, Essstörungen, Spielsucht, Co-Abhängigkeit)
  • Depressionen
  • Angstzustände
  • starkes Erleben von Wut und Scham
  • narzisstisches Verhalten
  • familiäre und Beziehungsschwierigkeiten
  • sexuelle Probleme
  • finanzielle Schwierigkeiten
  • mangelndes Selbstwertgefühl
  • ein dereguliertes Nervensystem.

Ganz besonders körperliche Beschwerden zeigen uns, dass wir dauerhaft nicht aus dem ‚Survival-Mode‘ rausgekommen sind. Tim Fletcher hat 60 Eigenschaften von Menschen mit komplexer PTSB festgestellt.

Wenn uns klar wird, dass und was wir heilen wollen, haben wir unsere Glaubenssätze und Verhaltensweisen oft Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in uns verfestigt und bestätigt. Dennoch ist Heilung möglich. Allerdings gibt es keine magische Pille oder einen Schalter, den wir einfach nur umschalten müssen.

Um wieder zu einer gesunden Lebensweise zurück zu kehren ist es nötig das Nervensystem auf Ruhe und Gelassenheit zu trainieren, unsere Trigger aufzuspüren und die inneren Kinder zu re-integrieren. Dabei werden Erinnerungen an traumatische Erlebnisse verarbeitet und alte Glaubensätze können gelöst werden. Oft ist dieser Heilungsprozess mit Betrauern von Verlust und Abschied verbunden. Begleitend zu diesem Prozess ist das aktive Verändern und Anpassen unseres bisherigen Lebensstils an einen sicheren und gesunderen Umgang mit uns selbst nötig.